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AutorenbildGerlinde Bacher

Gestern, Heute, Morgen

Aktualisiert: 10. Juli 2023


Seit mein Buch veröffentlich wurde, bin ich mehr oder weniger hängen geblieben. Ich hatte viel vor. Neue Ideen und Projekte. Das eine oder andere habe ich geschafft und für meine Verhältnisse auch eine Wahnsinns Leistung abgeliefert.



Dennoch komme ich nicht so voran wie geplant. Oft bin ich auch ungeduldig mit mir und ziehe mich selbst runter, weil ich nicht mehr das Tempo halten kann wie früher. Dann versuche ich mir klar zu machen, dass genau das Tempo von gestern der Grund für meine aktuelle Lage ist. Und doch verfalle ich Tage lang ins Grübeln und blockiere mich selbst. Ich pendele ständig zwischen Selbstgeißelung und Euphorie. Mut und Angst. Ich bin nach wie vor auf der Suche nach neuem Wissen, neuen Wegen und Fortschritt in meinem Leben. Ich weigere mich, auf der Stelle zu treten, da ich fast ein halbes Jahrhundert damit verbracht habe, im Hamsterrad zu funktionieren. Die zweite Hälfte "meines" Jahrhunderts will ich vorankommen. Ich möchte mein Leben nicht mit der einzigen Aufgabe verbringen, mein Dasein zu finanzieren. Glücklicherweise habe ich vor fast fünfzehn Jahren vorausschauend gehandelt und eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Diese kleine private Rente deckt die höchsten Kosten wie meine Krankenversicherung und andere unverzichtbare Ausgaben. So bin ich in der luxuriösen Lage, mich in Ruhe meiner Genesung, der Malerei, dem Schreiben und meinem zweiten Unternehmen buchARTig widmen zu können. Allerdings mache ich mir inzwischen für keine meiner Aufgaben so viel Druck wie früher. Naja, mal mehr, mal weniger.


Vor ein paar Wochen, während einer euphorischen Phase kam ich auf die Idee, die Dosis meiner Medikamente weiter zu reduzieren. Es gibt eine Nebenwirkung, die mich besonders belastet. So habe ich trotz Abraten meiner Ärztin das eine Mittel (ich nehme, zwei verschiedene) reduziert, mit der Absicht, es vier Wochen später ganz abzusetzen. Ich war überzeugt, dass ich so weit bin. Meine Ärztin warnte mich, dass die Angststörung sich möglicherweise wieder verschlimmert, aber ich war mir sicher, dass ich stabil genug bin, es zu versuchen. Es kam, wie von Frau Dr. vorhergesehen. Ungefähr nach zwei Wochen, als die Wirkung allmählich nachließ, konnte ich das Haus gerade noch so verlassen. Sogar der Weg in den Garten mit meiner Hündin Lilly war kaum zu bewältigen, geschweige denn eine normale Runde im Park. Ich verfiel immer öfter in depressive Phasen und kam sehr schnell zu der Einsicht, dass ich mich geirrt habe. Also nahm ich ab sofort wieder die zuletzt eingestellte Dosis und versuchte so wohlwollend wie möglich mit mir umzugehen. Ich ermöglichte mir die nötige Zeit, die ich brauchte. Wenn ich müde war, schlief ich. Wenn ich mich aufraffen konnte, machte ich was im Haushalt oder ich zeichnete und malte in meinem Skizzenbuch. Dennoch spukte ständig in meinem Kopf der gute, alte Gny. Hartmann. Er brüllte mir wie früher ständig ins Ohr, dass ich ein Versager bin und ich doch meinen A..... von dem Sofa heben sollte. Inzwischen entgegne ich dem herrischen Feldwebel jedoch mit einer stoischen Gelassenheit. Und darauf bin ich so was von verdammt stolz. Vor noch einem Jahr hätte ich nicht gedacht, dass es je so weit kommen würde. Die Erinnerung an diesen Würgegriff in meiner Magengegend und diese extremen Schweißausbrüche verblassen Tag für Tag ein bisschen mehr. Es gibt sie natürlich noch, die "schlechten" Tage. Aber ich gehe mit ihnen und mit mir selbst wesentlich wohlwollender und geduldiger um als früher. Auch das schlechte Gewissen meiner Familie gegenüber ist so gut wie Geschichte. So allmählich nimmt mein Medikament wieder seine Aufgabe auf und ich komme wieder in Schwung. Ich schaffe nach wie vor maximal drei Stunden im Stück mich voll zu konzentrieren und das auch nur an besonders guten Tagen. In der Regel sind es eher eins bis maximal zwei Stunden mit kleinen Pausen dazwischen. Aber ich habe mein Frieden damit gemacht und nehme jeden Tag, wie er kommt. So geht es immer einen kleinen Schritt weiter und ich nehme eine Hürde nach der anderen.


Vor ein paar Tagen fing ich ein Buch an zu lesen. Den Impuls dazu gab mir ein Artikel im Internet. Mir fiel ein, dass ich dieses Buch seit Jahren in meinem Schrank stehen habe, doch nie dazu kam es zu lesen. Es handelt sich um: Sorge dich nicht - lebe! von Dale Carnegie. Dieses Band hat mir in den letzten Tagen einen Wahnsinns Push verpasst und ich kann jedem, egal ob krank oder gesund, jung oder alt nur empfehlen, dieses Buch zu lesen. Carnegie schrieb es zwar vor sehr langer Zeit um die 1950-er, aber das Thema ist aktueller wie nie. Die Fallbeispiele, die er hier behandelt, brachten mich zum Nachdenken.


Mich treibt der Gedanke um, dass die Menschheit sich seit der Antike und früher noch mit der psychischen Gesundheit beschäftigt und wir uns dennoch im einundzwanzigsten Jahrhundert in der Akzeptanz der Erkrankungen weiterhin in der Steinzeit befinden. Carnegie zitiert hier zum Beispiel Plato (antiker griechischer Philosoph, lebte zwischen 428/427 v. Chr. - 348/347 v. Chr.) und schreibt:


"Der größte Irrtum der Ärzte besteht darin, den Körper heilen zu wollen, ohne an den Geist zu denken. Doch Körper und Geist sind eins und sollten nicht getrennt behandelt werden."


Da frage ich mich doch, wenn dieses Problem Plato schon begriffen hat, in der Zeit vor Christie Geburt, warum versteht es der "moderne, zivilisierte Mensch" unserer Zeit nicht, dass wir mehr auf unsere Psyche achten müssen?! Ist das Unwissenheit oder Ignoranz?


Carnegie erzählt auch über sich zwischen durch, zum Beispiel: dass er jeden Morgen ein an sein Badezimmerspiegel geklebtes Gedicht beim Rasieren liest.


"Gruß an die Morgendämmerung" von dem indischen Dramatiker Kalidasa

(vor, dem 5. Jahrhundert n. Chr.):


Sieh diesen Tag!

Denn er ist Leben, ja Leben selbst.

In seinem kurzen Lauf

Liegt alle Wahrheit, alles Wesen deines Seins:

Die Seligkeit zu wachsen,

Die Freude zu handeln,

Die Pracht der Schönheit,

Denn Gestern ist nur noch ein Traum,

Und morgen ist nur ein Bild der Phantasie,

Doch heute, richtig gelebt, verwandelt jedes Gestern

In einen glückseligen Traum

und jedes Morgen in ein Bild der Hoffnung.

So sieh denn diesen Tag genau!

Das ist der Gruß der Morgendämmerung.


Ein wunderschönes Gedicht! Das ich in Zukunft auch öfter lesen werden.


Meine Erkenntnis bis jetzt aus diesem Buch ist: Die Sorgen und Ängste der Menschen haben sich in zweitausend Jahren nicht verändert. Jeder zu seiner Zeit machte sich Gedanken über Gestern und Morgen. Über seine Vergangenheit und die Zukunft. So verschwenden wir Tag für Tag ein ganzes Leben an unsere Ängste, statt diesen einen Tag zu Leben.


Dalai Lama sagt dazu:


"Es gibt nur zwei Tage im Jahr, an denen man nichts tun kann. Der eine ist Gestern, der andere Morgen. Dies bedeutet, dass heute der richtige Tag zum Lieben, Glauben und in erster Linie zum Leben ist."


Natürlich macht sich jeder von uns Gedanken, wohin gerade diese unsichere Zeit mit Corona, Ukrainekrieg, Syrienkrieg und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten unserer Zeit führen werden. Das ist doch nur menschlich. Bis her war ich in der Annahme, dass die Kriegstreiber unserer Welt von Egoismus und Gier angetrieben werden. Inzwischen bin ich jedoch der Meinung, es ist angst.


- Angst, schwäche zu zeigen.

- Angst, an Macht einzubüßen.

- Angst, das Gesicht zu verlieren.

- Angst, der andere könnte mehr Besitz anhäufen.

- usw.


Auch ich habe mein Leben bis her damit verschwendet, mir Gedanken über gestern und Sorgen über morgen zu machen. Leben kann ich jeden Tag ab dem Aufstehen bis zum Schlafen gehen. Und diese kurze Zeit mit Grübeleien zu vertun ist doch mehr als verrückt. So habe ich nun beschlossen, damit aufzuhören. Und, dass ich das nicht vergesse, was im Alltag schnell mal passieren kann, bleibt dieses Buch immer in Sichtweite auf meinem Schreibtisch.


Ich spinne mal ein bisschen rum. Stell dir mal vor: Keiner würde sich mehr Sorgen machen und keiner hätte Angst. Jeder Mensch würde einfach nur leben, einen Tag nach dem anderen. Die Welt wäre ein Paradies ....


Gehörst du auch zu den Menschen, die sich viele Sorgen machen? Wie gehst du damit um? Hast Du Fragen? Ich freue mich sehr auf Dein Kommentar...


Viele liebe Grüße und bis bald


Deine Linde :)



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